Eine Frage der Verantwortung!

In Folge der Erweckung in Adelshofen entsteht 1958 die Bibelschule Adelshofen, und vermutlich hat sich damals niemand Gedanken darum gemacht, wie das alles mal weitergeht. Heute, mehr 65 Jahre danach, ist dieser Frage nicht mehr auszuweichen. Sr. Martina Luschnat, Dr. Jürgen Schulz und Christian Pletsch sind mit Detlef Eigenbrodt im Gespräch über die Vision Adelshofen 2035.

 

 

Christian, wir haben die Vision Adelshofen 2035 ausgerufen – und du weißt, was das alles kosten soll. Ist dir dabei nicht manchmal angst und bange? Wie bekommst du leere Kassen und hohe Kosten unter einen Hut?

Natürlich kenne ich die Sorge um die Finanzen. Vor allem, wenn ich die Lücke sehe zwischen dem, was wir aktuell haben und dem, was wir brauchen werden. Ich bin trotzdem zuversichtlich. Zum einen wegen der Entwicklung, die ich sehe. Unsere Spenden sind 2024 im Vergleich zum Vorjahr um gut 10 Prozent gestiegen. Regelmäßig unterstützen uns auch neue Spender. Was für ein Segen! Das sind für mich starke und mutmachende Signale. Das macht mich unglaublich dankbar und zuversichtlich im Blick auf die kommenden Jahre. Zum anderen erinnere ich mich immer wieder daran, wie dieses Werk begonnen hat. Auch damals waren leere Kassen und Sorgen um die Ausgaben Teil des Alltags. Doch Gott hat Schritt für Schritt durchgetragen. Die Zeit ist natürlich heute eine Andere. Doch Gott ist derselbe. Darauf verlasse ich mich.

 

Wie siehst du das, Sr. Martina? Kannst du dich an Zeiten erinnern, in denen das Geld schon vorher dagewesen wäre? Gab es das jemals, das ein Auftrag Gottes zur Weiterentwicklung nicht umgesetzt wurde, weil ihr Angst hattet, das nicht bezahlen zu können?

Wenn ich auf die letzten 30 Jahre zurückblicke, kann ich mich tatsächlich nicht daran erinnern, dass wir etwas nicht gebaut oder renoviert hätten, wovon wir überzeugt waren, dass es nötig wäre, auch wenn die Kassen relativ leer waren. Aber manches notwendige haben wir in der Tat zurückgestellt, weil uns der Mut fehlte, in großen Dimensionen zu denken.

 

Mut ist ein interessantes Stichwort. Jürgen, bei der ganzen Vision 2035 geht es ja nicht in erster Linie um Gebäude – was genau ist denn der Kern des Ganzen, warum machen wir das?

Weil wir einen Auftrag und eine Verantwortung haben. Das Lebenszentrum ist ein Ort, der über Generationen hinweg Menschen geprägt hat. Hier haben Menschen einen erweckten Glauben kennengelernt und eine praxistaugliche theologische Ausbildung genossen. Das Lebenszentrum ist beides, ein Haus der Bildung und des Gebets. Wir stehen in der Verantwortung, dass beides auch in Zukunft den Alltag im Lebenszentrum prägt. Und dafür müssen wir uns mutig auch um die Gebäude kümmern, da ist vieles in die Jahre gekommen. Kürzlich erzählte mir ein Student, der 1993 absolviert hat, dass zum Beispiel die Toilettenanlagen im Brüderhaus noch genauso aussehen, wie damals. Und sie hätten damals schon Zuwendung gebraucht…

 

Das klingt so, Christian, als wäre da wirklich manches zu tun. Aber mal abgesehen von den Kosten für die nötige Geländeentwicklung, wie gelingt es denn, den ganz normalen Alltag zu finanzieren?

Das ist eine Entwicklung, die uns neben allen Bauplänen herausfordert. Der Wechsel geht gerade rasant von statten. Altersbedingt haben sich viele Kommunitätsgeschwister aus der aktiven Mitarbeit zurückgezogen, für die anstehenden Aufgaben mussten also geeignete neue Mitarbeiter gefunden werden. Und diese müssen natürlich bezahlt werden. Allein am TSA sind in den letzten zehn Jahren sechs Kommunitätsgeschwister aus dem Dozentendienst ausgeschieden, als Ersatz haben wir vier Dozenten neu eingestellt und davon auch nicht alle mit 100 Prozent. Das fordert uns finanziell echt heraus, weil der Steigerung von Spenden, die ich ja erwähnt habe, auch eine enorme Steigung der Kosten gegenübersteht. Wir brauchen dringend Freunde, die unseren Dienst kontinuierlich unterstützen, Spender, die den Wechsel mittragen.

 

Das klingt dann gleich nach zwei großen Baustellen, Christian. Wann geht es denn mit der Baustelle Adelshofen 2035 eigentlich los?

Dieses Jahr soll die Halle renoviert und energetisch saniert werden. Diese Phase 0 hatte sich letztes Jahr durch Undichtigkeiten an den Glasbausteinseiten in den Vordergrund gedrängt. Über die Aufteilung des Gesamtplans in weitere einzelne Bauabschnitte machen sich gerade unsere Architekten intensiv Gedanken.

 

Sr. Martina, wenn du all das hörst und siehst, ist dann Adelshofen 2035 im Grunde gar nichts neues, sondern die Fortsetzung dessen, was hier schon immer wichtig und wesentlich war?

Ich persönlich würde sagen, ja, wenn es darum geht, Gott zu ehren, Gemeinschaft zu leben, und Menschen zu dienen. Jürgen hat unseren Auftrag ja schon angesprochen. Wir richten unseren Fokus allgemein schon sehr auf Gottvertrauen. Aber auch das ist Teil der Realität: Der Mut, für welche Gebäudegrößen und Summen man glaubt, ist bei 26 Geschwistern in der Kommunität sehr unterschiedlich ausgeprägt…

 

Ist diese Zeit für euch als Kommunität eigentlich so was wie ein Déjà-vu? Zurück zu Pfarrer Riecker? Der fing mit 60 an aufzubauen, und jetzt, ca. 65 Jahre später geht es in eine große neue Phase…

Sr. Martina: Ich denke früher und heute lässt sich nur bedingt miteinander vergleichen, Pfarrer Riecker kann man nicht kopieren. Damals waren es deutlich weniger Geschwister, als wir heute in der Kommunität sind, und sie waren alle mehr oder weniger im gleichen Alter. Das heißt, sie waren alle jung. Der Leitungsstil war ein anderer, die Gesellschafft war es auch. Da liegen viele Entwicklungen zwischen damals und heute. Aber die Aufschrift eines alten Banners: „Abraham glaube auf Hoffnung da nichts zu hoffen war“ und „Gott ruft dem, das nicht ist, dass es sei“ passt auch in unsere heutige Situation. Vom Vertrauen kommen wir nicht los, auch nicht vom Mut. Beim Festakt der Stiftungsgründung sagte Pastor Wilf Gasser in seiner Predigt: „Tut um Gottes willen etwas mutiges“ – und das tun wir.

 

Pfarrer Rieker hat damals die Bibelschule, das heute Theologische Seminar ins Leben gerufen, dessen Rektor du heute bist, Jürgen. Was wünschst du dir hier in den kommenden Monaten?

Ich wünsche mir, dass wir glaubensvoll, kreativ und fleißig sind. Nur im Glauben finden wir die Ruhe und den Frieden, um uns den täglichen Aufgaben gut stellen zu können. Ich wünsche mir, dass wir kreative und gute Wege finden, um nicht nur mit unserer Infrastruktur, sondern auch mit unserem Lehrplan den Menschen mit ihren heutigen Fragen und Anliegen zu dienen – deswegen überarbeiten wir auch gerade den Lehrplan, bauen die Bibliothek weiter aus und richten ein kleines Studio für Podcasts und Videos ein. Und dass wir fleißig bleiben. Und zielstrebig unterwegs. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen von diesem besonderen Ort hören und unser Freundeskreis wächst.


Für dich war und ist ja der Aspekt des gemeinsamen geistlichen Lebens in Adelshofen sehr wichtig, sag, abschließend, wie wird sich das in den kommenden zehn Jahren wohl entwickeln?

Das gemeinsame geistliche Leben ist nicht nur mir, sondern uns allen in Adelshofen wichtig. Wenn wir ein gemeinsames geistliches Leben pflegen, wird sich eine starke Gemeinschaft formen. Und wenn bei uns Studierende, Kommunitätsgeschwister und Gäste zusammenkommen, wird das gesellige Miteinander vielfältig und bunt. Machen wir aber das gesellige Miteinander und nicht das gemeinsame geistliche Leben zur Mitte, zerstören wir die Gemeinschaft.

 

Wie sich das in den nächsten 10 Jahren entwickeln wird? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Viel entscheidender sind mir auch die Grundlagen, die für die gesunde Entwicklung eines christlichen Lebens notwendig sind: Leben aus dem Evangelium, Zugehörigkeit zu einer Gemeinde, regelmäßige Feier des Abendmahls und Gebetszeiten – bei uns zurzeit von Montag bis Samstag dreimal täglich. Das Lesen, Meditieren und Memorieren von Gottes Wort, Stille und Fasten. Es sind schlichte Dinge. So wie das tägliche Zähneputzen. Aber ausgesprochen wirksam.

 

Vielen Dank, liebe Sr. Martina, Jürgen und Christian für das Gespräch und Gottes Segen euch.