Gemeinsam zu Christus wachsen & Geistlich wachsen aber wie?

Predigt von Pfr. Martin Moehring & Schlusswort von Br. Matthias Böker

Gemeinsam zu Christus wachsen Predigt zu Epheser 4, 15 und 16 bei der Kommunitätsfeier 2016

Liebe Mitglieder der Kommunität hier in Adelshofen. Zum Gottesdienst eurer Kommunitätsfeier, heute, habt ihr euch ein Kernthema für christliches kommunitäres Leben ausgesucht. Das ist ein Thema für jede Kommunität und auch für jede christliche Gemeinde: "Gemeinsam zu Christus wachsen". Damit steht und fällt christliche Gemeinschaft und christliche Gemeinde. Dazu heißt es in Epheser 4, 15 und 16: "Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am anderen hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe."

Gemeinsam

Kürzlich war eine kleine Feier in Eppingen. Die Leistungskurse Kunst am Gymnasium haben ihre Arbeiten vorgestellt. Darunter waren Radierungen zum vom Kunstlehrer vorgegebenen Thema "Me, Myself and I", übersetzt "Ich, ich und ich". Das ist nicht negativ zu bewerten, das war auch nicht negativ gemeint. Es ist ganz wichtig über sich selbst klar zu werden. Wer bin ich? Aber problematisch ist es natürlich, wenn wir bei dem" Ich selbst" stehenbleiben. Und wir spüren, dass das ja durchaus eine Gefahr unserer heutigen Gesellschaft ist. Ich bin wichtig. Aber wer bin ich? Ich bin nämlich immer ein Teil eines Größeren. Es geht nicht nur mit dem, was ich selbst bin. Diese Konzentration auf das Ich ist eine Versuchung, ich würde sagen: eine satanische Versuchung. Wenn wir sagen, ich will, ja jeder will doch glücklich sein, dann ist das gut so, richtig so. Nicht gut ist es, wenn ich denke, ich sei nur glücklich, wenn ich zum Zug komme, wenn ich meine Bedürfnisse stillen kann. Das ist eine Verdrehung. Natürlich bin ich wichtig, aber nur innerhalb dieses Ganzen. Meine Persönlichkeit ja, meine Besonderheit, ist bedeutsam aber niemals isoliert. Ich bin immer im Zusammenhang meines Umfeldes, im Zusammenhang mit anderen Menschen. Und wer ernsthaft nach seinem Glück fragt, muss eine bewusste Entscheidung treffen: 'Nicht nur ich!' Sonst bleibe ich einsam. 'Wir gemeinsam!' Wer bin ich in unserer Gemeinschaft? Auch wenn manches nicht so ist, wie ich mir das vorgestellt habe, in der Ehe, in der Lebensgemeinschaft, in der Gemeinde, in der Gesellschaft. Gemeinschaft leben ist eine missionarische Möglichkeit. Und das Lebenszentrum Adelshofen versteht sich als missionarisches Werk. Und jeder, der eine Liebe für Mission hat, muss darüber nachdenken: wie können wir miteinander liebevolle Gemeinschaft leben? Wie können wir miteinander Annahme und Wertschätzung erfahren? Bei mir hat der Glaube schon als Kind angefangen, als mir vieles zugesprochen wurde. Aber als ich dann selbsteigene, bewusste Schritte gegangen bin, da war das ganz wichtig, dass ich Menschen kennengelernt habe, bei denen ich dachte: "Ja, das ist eine Art und Weise zulegen", da entdecke ich sogar etwas Göttliches darin. Das ist die missionarische Möglichkeit, wenn wir Gemeinschaft pflegen. Noch lange bevor ich die richtigen Dinge sagen oder verkündigen kann, spüren Leute, ob sie angenommen und geschätzt sind. Das hat Jesus getan. Und die Sünder und die Zöllner und die, die eigentlich auch selber wussten, dass vieles vor Gott nicht in Ordnung war, fühlten sich bei Jesus angenommen. Das war das Entscheidende! Also lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe! Lasst uns wachsen hin zu Christus, weil er die Liebe ja verkörpert. Und deshalb muss manchmal auch eine Gemeinde darin wachsen. Manche Gemeinde muss lernen, wieder über die Liebe nachzudenken, wenn sie sich zu sehr mit ausgefeilten theologischen Profilen beschäftigt hat. Das Eine nutzt ohne das Andere nichts. Ich glaube, dass Kommunitäten einen ganz wichtigen Auftrag haben: dieses bewusste "in Gemeinschaft leben"

Es kann nur nachhaltiges Wachstum geben, wenn es dem Licht zugeht, also wenn es Christus zugeht.

Wir brauchen Vorbilder

Auch ich habe da eine große Erwartung für unser gesellschaftliches Leben und sehe eine ganz große Aufgabe: wo wir in dieser Gesellschaft immer mehr an der Vereinzelung leiden, brauchen wir Vorbilder, wie gemeinsames Leben gelingen kann. Und da würde ich immer Mut machen dazu, das ganz bewusst zu leben und in diese Welt hinein zu tragen. Gemeinschaft ist nicht eine Sonderform des Zusammenlebens. Natürlich habt ihr eine besondere Form in eurer Gemeinschaft, aber Gemeinschaft ist etwas Allgemeingültiges, was diese Welt braucht. Eine große gesellschaftliche Aufgabe, Gemeinschaft zu leben. Wir haben das ein bisschen verlernt. In einer Schulklasse habe ich gefragt: "Wer von euch lebt denn mit einem Geschwisterkind in einem Zimmer? Niemand?" Nein, das gibt´s nicht mehr. Natürlich ist es schön, ein eigenes Zimmer zu haben, aber was verlernen wir alles? Familie als Ort, sich gegenseitig Helfer zu sein. Nicht nur zu fragen: „Was bringt mir das?" In der Familie hilft man sich und lernt sich zu helfen; auch wenn einem die Nase des anderen nicht so passt. Bei so vielen Singlehaushalten würde ich Werbung dafür machen: Lernt doch von den Kommunitäten! Oder von anderen Lebensgemeinschaften. Macht aus eurer Wohngemeinschaft eine Lebensgemeinschaft für die Studenten, in der man einmal eine bewusst christliche Gemeinschaft pflegt, wo es einen Punkt in der Woche gibt, an dem man sich austauscht. Und das werden Anziehungspunkte für andere Menschen sein. Wir sollten lernen, miteinander zu leben und Nachbarschaften ernst nehmen in der Gemeinde. Nicht nur in das Zentrum Gemeinde laufen. Sie trafen sich hin und her in den Häusern, weil dort gelebt wird. Wir sind nicht nur Dienstgemeinschaft, sondern Lebensgemeinschaft. Nicht nur: "Was nutzt mir der andere, damit ich dem großen Ziel, in einem großen Projekt weiter komme?", sondern Lebensgemeinschaft bedeutet miteinanderleben! Ich habe immer noch den Traum von einem Bauernhof, also eine Lebensgemeinschaft, noch mit Tieren, mit der Schöpfung, das ist fast paradiesisch. Ich finde es auch schön, Alters-Wohngemeinschaften zu gründen, damit da ein Bewusstsein für generationsübergreifendes Leben entsteht. Und ihr habt etwas angefangen als Kommunitätsgemeinschaft und das muss auf dem Weg bleiben, das braucht die Gesellschaft.

Zu Christus

Zu Christus wachsen! Das ist das Zentrum. Die Richtung des Wachstums ist klar. Wie eine Pflanze, egal wo man sie hinstellt, immer einen Weg zum Licht sucht, so geschieht Wachstum in der Natur. So kann es nur vernünftiges Wachstum geben, wenn wir zu dem wachsen, der das Licht der Welt ist, von dem das Leben kommt. Es kann nur nachhaltiges Wachstum geben, wenn es dem Licht zugeht, also wenn es auf Christus zugeht. Und wenn mir auch alle Fragen meines Lebens verschwimmen, wenn ich anfange zu zweifeln, und deswegen habe ich das vorhin gesagt: "Wie stelle ich mir Wachstum vor?" Wenn mir alle Fragen zu groß und zu kompliziert werden, machen wir´s doch einfach! Schauen wir auf Jesus! Wer ist Jesus? Was hat er getan? Wie hat er gelebt? Und in diesen ganz einfachen Fragen werden wir die entscheidenden Antworten fürs Leben finden und das entscheidende Wachstumspotential. Ein Aspekt wird hier im Text betont. Wenn wir zu Christus wachsen, dann hat das Einheit zur Folge. Jeder gehört dazu. Ihr habt gesagt, dass es euch als Kommunität wichtig ist, Inder Gemeinschaft alle mitzunehmen. Und diese Einheit ist das Ergebnis, wenn wir zu Jesus hinwachsen, wie alle Pflanzen zum Licht hin wachsen. Ihr seid Berufene, sagt hier Paulus und ihr sollt eurer Berufung würdig wandeln. Und dann nennt er einige Elemente, die zur Einheit führen: Liebe, Sanftmut, Geduld, andere ertragen können, Toleranz, auch wenn ich anders fühle und denke. Und da habt ihr als Kommunitätsgemeinschaft und wir als Gemeinde eine Chance, diese Qualitäten zu lernen, dass wir ein 'Wohlgeruch für Gott' werden und für unsere Gesellschaft: Nicht "Ich bin der Größte", sondern auch demütig sein können. Nicht "Ich bin der Stärkste", sondern auch sanftmütig sein können. Nicht "Ich muss jetzt alles durchboxen", sondern auch Geduld haben und ertragen und tragen. Und da steckt drin, dass die Unterschiedlichkeit der Einzelnen diese Gemeinschaft prägen wird. Welche Art von Einigkeit: Christus soll die Einheit sein. Nicht, dass wir alle gleich denken oder gleich angezogen sind, nicht dass wir alle den gleichen Lebensstil haben. Innerhalb der Veränderungen und Unterschiedlichkeiten muss immer wiedergefragt werden: Was bewirkt Einheit im Geist? Fördert das, was wir tun, die Einheit? Dann ist es gut! Es ist ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. Und das gibt Grund zur Einigkeit, alles andere wäre nicht von Gott. Und ein Drittes:

Wachsen

Gemeinsam zu Christus wachsen. Im Bild des Wachsens ist eine Dynamik, Anpassungsfähigkeit. Es ist erstaunlich, wenn man in den Bergen einen Baum sieht, wie er aus dem Fels heraus wächst, sich um Gesteinsbrocken herum windet. Wie sich Pflanzen einen Weg hin zum Licht suchen, auch wenn viele Widerstände da sind. Anpassungsfähigkeit an die äußeren Bedingungen ist das Wesen des Wachstums. Und deswegen sind wir eingebaut wie lebendige Steine, sagt der Apostel Petrus. Da gibt es ganz unterschiedliche Teile in einer Gemeinschaft. Da gibt es große Freiheit: Die einen wachsen in die Erde hinein als Wurzeln, die andern in die Höhe als Stängel, in die Breite als Zweige, in die Fläche als Blätter, Blüten sind da und Früchte, eine große Vielfalt, eine große Differenzierung unterschiedlicher Ausformung. Nur so gibt es ein Ganzes. Und da heißt es nun in Vers 4: „Einem jeden von euch, der ein Teil irgendeiner Gemeinschaft ist, einem jeden ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi. Ob es nun die kleinen Kinder der Mitarbeiter des Lebenszentrums sind oder die Erwachsenen: alle haben ihr Maß von Gott erhalten. Und deswegen sind alle wichtig und es kommt darauf an, den Platz zu entdecken, den Gott ausgewählt hat. Am Ende des Predigttextes heißt es: „Von Christus aus ist der ganze Leib zusammen gefügt und ein Glied hängt am andern durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe“. Es geht jetzt um jeden Einzelnen, „um mich, I, me und myself“.

Anpassungsfähigkeit an die äußeren Bedingungen ist das Wesen des Wachstums.

Mut gegen den Zeitgeist

Will ich diesen Platz in der Gemeinschaft einnehmen? Auch darum geht es. Gott hat keinen von uns vergessen, jeder hat seinen Platz. Es ist ein geistliches Gesetz: die Gemeinschaft erbaut sich nur, wenn die Einzelnen ihren Platz einnehmen. Da braucht es auch Mut, gegen den Zeitgeist zu sagen: „Ja, ich will nicht nur an mich denken, sondern will das Ganze sehen“, und das nach dem Maß, das Gott austeilt. Da gibt es auch ein Maß an Zeitlichkeit, ein Maß, wo etwas aufwächst, aufblüht und wo es auch wieder vergeht. Vielleicht sagt der eine oder andere: ‚Ich kann nicht mehr! Mein Kräfte sind am Ende!‘ Aber es ist nichts schief gelaufen, wenn ich sage „Ich kann nicht mehr“. Dann sagt Gott zu mir: „So kannst du nicht mehr“. Aber entdecke den neuen Platz, den Gott für dich hat. Das Reich Gottes wächst doch, wie eine selbst wachsende Saat. Du musst nicht immer an einer Stelle bleiben. Das passt sehr gut zusammen. Denn Loslassen ist ein Teil des Wachstums. Und wer nicht loslassen kann, blockiert das Wachstum. Durch Loslassen entfaltet sich ein lebendiger Organismus. Also loslassen – das heißt auch freigeben: einen anderen Menschen in Verantwortung setzen. So wird es auch heute sein: neue Leute, die neue Wege gehen. Ich bin ein Verfechter dafür, dass auch in Leitungsfunktionen Menschen sein sollen, die nicht zu alt sind. So sagt auch ihr: ein bestimmtes Alter und dann soll jemand anderes ran. Wir haben viel Mühe mit dem Loslassen, weil wir die Qualität des Neuen nicht entdeckt haben. Ältere Menschen sind wichtig. Und das ist eine Qualität von Sr. Dora, die sie mit der Entpflichtung aus der Leitungsverantwortung nicht verlieren wird. Ältere Menschen müssen nicht immer die sein, die alles entscheiden, die an vorderster Front stehen. Da können sie sogar blockieren. Aber sie sind die in der Bibel, die segnend und ermutigend wirken. Und wer andere ermutigt eigene Schritte zu gehen, der setzt frei, der macht Wachstum möglich.

Geistlich wachsen aber wie? Schlusswort von Br. Matthias Böker

Vor gut 10 Jahren untersuchte die Willow-Creek-Gemeinde in Chicago, wie weit ihre Gemeindeglieder durch Gottesdienste und Predigten geistlich gewachsen seien. Dabei zeigte sich, dass die Mitglieder keineswegs automatisch durch die ausgezeichneten Gemeindeangebote innerlich gewachsen waren. Erschreckenderweise äußerte sogar ein Großteil der Mitglieder die Ansicht, schon lange nicht mehr geistlich zu wachsen. Als man diesen Umstand genauer unter die Lupe nahm, stellte sich heraus: Diese Personengruppe hatten die gute biblische Lehre Woche um Woche gehört und es dabei belassen. Anders bei denen, die geistlich gereift waren. Sie begannen selbst, die Bibel intensiv zu studieren, trafen sich mit anderen Christen in Zweierschaften zum Gebet und zum Austausch und richteten ihr Alltagsleben entschlossen nach Jesus aus. Das sah auch Paulus als das Geheimnis für geistliches Wachstum an, als er schrieb (Kolosser 1, 9-10): „Wir beten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens …, um des Herrn würdig zu wandeln …“ Die Kurzfassung lautet also: „erkenne und tue“ oder „höre und handle“. Wir sind aufgerufen, das umzusetzen, was wir geistlich erkannt haben. Ich stelle mir Wanderer vor, deren Weg plötzlich durch einen tiefen Spalt unterbrochen ist. Um weiterzukommen, muss man von einem Bergvorsprung zum anderen springen. Der Bergführer geht voran. Viele folgen ihm. Ein Wanderer tritt an den Spalt, schaut in die Tiefe, wird kreidebleich und dann geht gar nichts mehr. Da tritt der Bergführer von der anderen Seite an den Spalt, streckt seine Hand aus und sagt: „Komm! Halt dich fest! Vertraue mir! Wag den Schritt!“ Wenn der Wanderer jetzt vertraut, stärkt ihn das enorm, so dass er ermutigt die nächste Herausforderung angeht. So wachsen wir auch in unserer geistlichen Entwicklung, indem wir auf die Stimme Gottes hören und mit Vertrauen antworten.

Die Kurzfassung lautet also: „erkenne und tue“ oder „höre und handle“. Wir sind aufgerufen, das umzusetzen, was wir geistlich erkannt haben.