Sr. Ruth Ruppert

30.01.2023

Ganz geliebt

 

1978, nach einem Jahr im LZA, dachte ich mir: jetzt kenne ich hier den Ablauf und weiß, wie es läuft. Dachte ich. Aber seitdem gab es kein Jahr, in dem sich nichts geändert hätte an unserem Leben hier. Und das ist gut so.

 

Wir waren unter uns

Zum Beispiel gab es früher nur sehr selten echten Bohnenkaffee. Das tägliche Getränk war „Enrilo - der Schreckliche“. Hatte man doch mal eine Tasse echten Kaffee, ließ man sie besser nicht unbeaufsichtigt stehen. Bis die Kommunität dann in den Sommerklausurtagen plötzlich beschloss, dass es von nun an Bohnenkaffee geben sollte. Zur großen Freude der ganzen Hausgemeinschaft! Oder schauen wir auf die seelsorgerliche Begleitung. Wir hatten die Vereinbarung, dass wir seelsorgerliche Hilfe nur im kommunitären Rahmen in Anspruch nehmen, also nur unter uns Geschwistern. Das war bis zu einem gewissen Punkt gut und ich habe dadurch viel Hilfe erfahren. Aber dann gab es eine Zeit, in der wir erkannten, dass auch Beratung von außerhalb hilfreich und nötig sein kann. Und dadurch wurde ich ebenfalls sehr gesegnet, konnte neue Wege erkennen und gehen; Wege, die vorher nicht möglich waren.

 

Drei in einem Zimmer

Unsere Wohnsituation damals war so: In einem winzigen Zimmer schliefen 3 Schwestern. Ein Einzelbett, ein Stockbett, ein Tisch. Überflüssiges legten wir nachts aus Platzgründen auf den Flur. Trotzdem waren wir glücklich. Nun gut, vielleicht nicht alle und vielleicht nicht immer. Aber damals war das halt so. Welch anderes Lebensgefühl gab einem dann ein Einzelzimmer, wenn man es beziehen konnte. Allerdings ist das dann auch nicht unbedingt der Himmel auf Erden. Keiner hatte ein Auto, wir waren immer hier beieinander und es war nie langweilig. Trotzdem ist es heutzutage sehr schön, dass man schnell mal einkaufen kann, oder ein Auto für einen Arzttermin zur Verfügung hat.

 

Wir mussten uns bewegen

Veränderungen gab es immer wieder, wie gesagt. Das Haus der Kommunität entstand und schuf uns einen Lebensraum neben dem belebten Zentrum. Unser Garten, eigentlich immer mehr ein Park, wurde umgewandelt in einen Erlebnisgarten. Und die Veränderungen gehen weiter, bis in die Gegenwart. Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir Schwestern vor der Frage standen: Wie können wir jede von uns in eine Wohngruppe integrieren, die noch irgendwo alleine wohnt? Das kostete uns viel Zeit, Gespräche, Gebete und Herzblut, bis es sich endlich zeigte, wie es gut für uns alle sein kann. Liebgewordene Zimmer wurden hergegeben, vertraute Wohngemeinschaften aufgegeben, alles zugunsten einer neuen Zusammensetzung. Ich erlebte es staunend als ein Wunder, das Gott uns geschenkt hat.

 

Wie geht’s weiter?

Irgendwann kam dann für uns die Frage: wie geht es mit uns als Kommunität weiter? Lassen wir alles auslaufen und unsere Verantwortungen hinter uns, wenn wir es kräftemäßig nicht mehr schaffen? Gibt es nicht doch einen Weg, wie es weitergehen kann? Wir hatten - Gott sei Dank! – über die Jahre kompetente Begleitung, um diese Fragen alle intensiv zu besprechen. Es musste durch Herz und Hirn, dass nicht alles so bleiben konnte, wie bisher. Aber in allen Veränderungen war Gott da! Er hat uns nie im Stich gelassen!

 

Als ob die Worte fehlten

Als der Gedanke einer Stiftung als neue Form das erste Mal auftauchte, empfand ich eine innere Erleichterung. Das konnte ich mir vorstellen. Ich nahm aber auch wahr, dass es manchen Geschwistern große Mühe machte, sich damit anzufreunden. Gott war uns sehr gnädig, wir hatten etliche Jahre, um uns gründlich damit zu befassen und die Sache von allen Seiten zu beleuchten, alle Fragen zu besprechen. Im Sommer 2021 war die offizielle Abstimmung für die Stiftung; als Optionen gab es Ja, Nein und Enthaltung. Als das Ergebnis bekanntgegeben wurde, war es sekundenlang, als ob die Zeit stehenbleibt, als ob einem die Luft wegbleibt, als ob die Worte fehlen. Es gab nur Ja-Stimmen! Hundert Prozent dafür! Was für ein wunderbares Zeugnis von Geschlossenheit! Natürlich musste in der kommenden Zeit noch viel an allem gearbeitet und am Wortlaut der neuen Satzung gefeilt werden. Es kam auch noch die Wahl des neuen Vorstandes und des Stiftungsrates dazu. Auch personell würde sich einiges verändern, und nicht jedem Kommunitätsmitglied fiel diese Veränderung leicht, das spürte ich. Das ist wohl auch normal, aber man muss eben trotzdem erst mal durch. Anfang 2022 schenkte Gott uns dann eine wunderbare Verheißung für den Wechsel von der Kommunität zur Stiftung.

 

Mit Pinsel, Rollen und Schwämmchen

Ich war, wie schon öfter, bei einer „Stille kreativ-Freizeit“ mit biblischen Impulsen, angeleitetem Ausdrucksmalen und Töpfern, alles im Schweigen. Bei den Ich-bin-Worten Jesu kam mir besonders der gute Hirte nahe. Ich malte ihn und ich töpferte ihn. Er schenkte mir eine neue, tiefe Begegnung mit sich. Ich erlebte ihn ganz neu und befreiend, wie niemals zuvor. Umso verwunderlicher war dann das, was ich beim Ausdrucksmalen erlebte. Ich hatte nicht vor, etwas Bestimmtes zu malen, sondern hantierte voller Freude mit Farben und Pinseln und Rollen und Schwämmchen auf dem Papier. Da war plötzlich das Bibelwort in mir: „Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr´s denn nicht?“ Jesaja 43, 18-19 (Luth.). Als die Zeit um und mein Bild fertig war, sah ich, was Gott mir zu dem Bibelwort geschenkt hatte. Ich wusste, das war im Blick auf die Veränderungen in diesem Jahr: von der Kommunität zur Stiftung! Und ich dachte mir: Es wächst Neues auf. Buntes, Schönes, Hartes, Zartes, Seltsames - und alles darf so sein, denn der Herr lässt es aufwachsen. Und dieses Neue ergibt ein leuchtendes Bild seiner Gnade und Güte!

 

Bleibt nicht stehen

Denn es wird sicher beides kommen: viel Schönes, aber auch nicht so leichtes. Verschiedene Persönlichkeiten, die sich zusammenfinden müssen, Dinge, die geklärt werden müssen, Verletzungen, Versöhnungen. Und als ich den Vers in einer anderen Übersetzung las, merkte ich, dass auch das für uns wichtig sein wird, besonders den Geschwistern, die unser Werk aufgebaut haben und viele Wunder Gottes erlebten. „Doch ich sage euch: Hängt nicht wehmütig diesen Wundern nach! Bleibt nicht bei der Vergangenheit stehen! Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt?“ Jesaja 43, 18-19 (Hoffnung für Alle). Daran halte ich fest, danach halte ich Ausschau - Gott will Neues tun unter uns und er hat schon damit begonnen.

 

 

 

Detlef Eigenbrodt, M.A. und Sr. Dora Schwarzbeck (Hrsg.)

Ganz. Geliebt.

Buch, gebunden, 216 Seiten, im Eigenverlag

15,60 €, zzgl. Porto und Verpackung

Genre: Biografie, Geschichte, Geistliches Leben

 

Unterschiedliche Menschen finden ihren ganz persönlichen Zugang zu diesem kleinen Wortpaar: Ganz. Geliebt. Das trifft auch auf die Schwestern und Brüder der Kommunität Adelshofen zu. Nicht jede und jeder von ihnen würde wohl diese Formulierung einfach so unterschreieben, klingt sie doch sehr abschließend und umfänglich und könnte den Eindruck erwecken, es gäbe da nicht auch Zweifel und Durststrecken. Wer weiß sich schon immer ganz geliebt? Von Gott und den Menschen? Wie gesagt: jeder wird sich hier wohl gern individuell und persönlich positionieren.

 

Und doch gibt die Sammlung der Beiträge in diesem Buch ein sehr unzweifelhaftes Zeugnis der Einheit. Sowohl die Geschwister der Kommunität als auch Wegbegleiter und Mitarbeitende des Lebenszentrums sind einig: Gott ist es, der uns in und durch seinen Sohn Jesus Christus liebt. Ganz. Umfänglich. Ohne Wenn und Aber.

 

Zu beziehen unter:   buecherstube@lza.de oder unter 07262 608 222