PUNKTgenau

von Dr. Manfred Baumert

GOTTES ZEITPUNKT

Wie entsteht eine neue geistliche Bewegung? Mit dieser Frage hängt der Beginn des Theologischen Seminars Adelshofen (TSA) zusammen.

So sehr geistliche Neuaufbrüche zu bestimmten Zeiten „in der Luft liegen" und gewisse Umstände, z. B. notvolle gesellschaftliche und/oder kirchliche Ereignisse solche Aufbrüche geradezu erfordern, so sehr bedarf es doch eines Pioniers wie Pfarrer Dr. Otto Riecker:

Eines einzelnen Menschen, der durch seine persönliche Biografie (die reale Erfahrung der Vergebung), sein Studium der großen Evangelisten (John Wesley u.a.) und seine geistlichen Vorprägungen (unkonventionelle Verkündigung, natürlich-authentischer Glaube im Alltag, effektiv-kreative Teamarbeit) befähigt ist, eine geistliche Erweckung in eine konkrete Lebensgestaltung zu überführen.


Nach einem geistlichen Aufbruch, den Gott in einer Evangelisationswoche 1955 der Kirchengemeinde Adelshofen schenkte, kamen ca. 60 Menschen zum Glauben an Jesus Christus. Aus dieser Initialzündung entstand eine missionarische Bewegung. Es war Gottes ZeitPUNKT, als der 60 Jahre alte Ortspfarrer Dr. Otto Riecker 1958 zusammen mit Kollegen das TSA gründete mit dem Ziel, junge Leute als „Schrittmacher“ für die missionarische Arbeit auszubilden. So wurzelt das TSA in einer geschichtlichen Stunde, in der sich der Gründer von Gott angerührt wusste, um Bahnbrechendes für das Reich Gottes zu wagen.

Bis heute üben Gründer wie Pfarrer Riecker auf die Studierenden eine Faszination aus. Junge Erwachsene hören den noch Lebenden aus der ersten Generation fasziniert zu, wenn sie aus ihren segens-, aber auch krisenreichen Erfahrungen berichten. Ihre Berichte stecken junge Menschen an. Ihre Liebe zu Jesus berührt. Allen sei an dieser Stelle für ihren jahrzehntelangen, beständigen praktischen Einsatz und ihr treues Gebet in der Verborgenheit gedankt, die bis heute unsere Ausbildung mittragen!

SCHWERPUNKTE

Mission wurzelt zutiefst im Wesen Gottes und prägt die Ausbildung am TSA. Als Dozenten fördern wir die missionarische Einstellung einerseits durch den vielseitigen, missiologischen Unterricht von Gastdozenten, die selbst in der Mission im In- und Ausland tätig sind, andererseits durch wöchentliche missionarische Teameinsätze in der Umgebung. Einige Studierende bauen vertrauensvolle Beziehungen zu Migranten auf, andere kümmern sich um Kinder oder junge Erwachsene. Und alle haben ein Ziel: Menschen für Jesus zu gewinnen und das Wachstum im Glauben zu fördern. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels bereiten wir die Studierenden auf die missionarischen Herausforderungen unterschiedlicher Milieus vor.

Dabei war von Anfang an wichtig, den Studierenden neben der missionarischen Begeisterung eine gute und fundierte Grundlage mitzugeben und dem Trend der biblisch-theologischen Verflachung etwas entgegen zu setzen. Der Missionsauftrag Jesu beinhaltet ja auch einen SchwerPUNKT in der Lehre: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: […] und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. (Mt 28,18-20). Das „alles“ bezieht sich einmal auf die fünf Lehrreden Jesu (etwa die Bergpredigt) und schließt zudem sein gesamtes Wirken als Anschauungsunterricht, wie es im Matthäusevangelium überliefert ist, mit ein. Die Lehre Jesu in der theologischen Ausbildung zielt (lehrt sie halten) stets auf eine entsprechende Lebensgestaltung in der Nachfolge Jesu. Mission, Bildung und Nachfolge gehören darum zusammen.

Unsere Absolventen können nur dann alles PUNKTgenau lehren, wenn sie solide biblisch-theologische Kenntnisse besitzen. So bleibt die Lehr- und Lerngemeinschaft verbunden mit Mission und Nachfolge weiterhin eines der primären Markenzeichen des TSA.

PUNKTgenau bildet das Studium im Kontext einer Lebensgemeinschaft mit generations- und lebensformübergreifendem Zusammenleben (ehelos – kommunitär – single – verheiratet) einen wesentlichen Nährboden zur Charakterbildung.

SENDUNG UND SEGNUNG

Geistliche Höhepunkte sind unsere Sendungsveranstaltungen: Neben der großen Aussendungsfeier am Ende der praktisch-theologischen Ausbildung ist uns auch während der Ausbildung von Anfang an die Sendung und Segnung für bestimmte Aufgaben und Einsätze sehr wichtig, beispielsweise für die Außenpraktika.

Diese Segnungen und Sendungen – mit Bibelwort und persönlichem Zuspruch an den Einzelnen und einer Bitte um Gaben, die Gott für bestimmte Aufgabenfelder und Herausforderungen schenken möge – haben solch eine auf den PUNKT gebrachte geistliche Auswirkung, dass die jungen Erwachsenen in Veranstaltungen bereits ähnliche Segenshandlungen unter Anleitung durchführen wollen.

HERAUSSTECHENDE ALLEINSTELLUNGSMERKMALE

Im letzten Jahr wurde ich mehrfach nach dem Alleinstellungsmerkmal des TSA gefragt. Diese Anfrage forderte mich sehr heraus, über unsere Konzeption nachzudenken. Mitten in dieser Reflexionsphase lagen die Evaluierungstage der Europäischen Evangelikalen Akkreditierungsvereinigung (EEAA).

Dabei ging es um die Zertifizierung des TSA auf Hochschulebene mit einem Bachelor of Theology Äquivalent (BTh), der für solche Absolventen von Vorteil ist, die im Ausland tätig sein wollen. Die Prüfungskommission attestierte dem TSA den höchsten positiven Wert für eine gelungene Integration von praktisch-theologischer Ausbildung und gemeinsamer geistlicher Lebensgestaltung von Studierenden, Dozenten und Mitarbeitern des Lebenszentrums.

Wenig später kam es zu einer Begegnung mit Verantwortlichen einer Evangelischen Hochschule. Sie betonten, dass wir etwas hätten, was sie nicht leisten können: die Praxis geistlichen Lebens in einem vorhandenen Erfahrungsraum.

Am TSA geschieht vieles durch informelle Begegnungen verschiedenster Art, und zugleich auch durch die Teilnahme an verbindlichen Veranstaltungen. Junge Menschen fragen wieder vermehrt nach verbindlichen Lebensformen, weil sie Halt inmitten einer Gesellschaft und Gemeindelandschaft suchen, in der vieles verschwimmt. PUNKTgenau bildet das Studium im Kontext einer Lebensgemeinschaft mit generations- und lebensformübergreifendem Zusammenleben (ehelos – kommunitär – single – verheiratet) einen wesentlichen Nährboden zur Charakterbildung.

Es bereitet die Studierenden auf ihre zukünftigen Arbeitsfelder in freien Gemeinden, Missionswerken und Landeskirchen vor, die – heute mehr denn je – urteilsfähige, flexible und gleichzeitig stabile Persönlichkeiten benötigen. Mir ist sehr deutlich geworden: Das TSA besitzt herausstechende und wahrnehmbare Alleinstellungsmerkmale, die auch unsere Studierenden schätzen.

Gewährleisten kann man eine derartige Verbindung von Lehre und Leben in der pädagogischen und theologischen Ausbildung allerdings ausschließlich durch eine große Anzahl von Mitarbeitenden, die weit über das Dozentenkollegium vor Ort hinausreicht. Ergänzt werden sie durch die zahlreichen Gastdozenten, die uns auf allen drei Bildungsebenen engagiert unterstützen.

Außerdem ist allen zu danken, die – oft im Hintergrund – immensen Einsatz leisten, sei es durch Mentoringgespräche, Paarberatung, Seelsorge u.v.a.m. Dazu gehört auch der Beirat des TSA. Zusammen fungieren sie als Beratungsglied zwischen dem Dozentenkollegium und den Vertretern der Studierenden.

Oft haben wir erlebt, wie Gott gerade in solchen Zeiten PUNKTgenau aus der Mitte des Kollegiums Einzelne dazu befähigt hat, neue geistgewirkte Perspektiven für die Zukunft zu entdecken und andere in diese Entwicklungen mit hineinzunehmen.

INSPIRIERENDE UND QUALIFIZIERENDE SCHULENTWICKLUNGEN

Diese Dimension von Theorie und Praxis am TSA fliegt uns nicht zu, sondern will geplant und gestaltet sein – das fordert natürlich heraus. Der Wandel in der Jugendbiographie erfordert über die Semester hinweg immer wieder pädagogische Anpassungen, die mal mehr mal weniger gelingen, was gut ist. So sind wir herausgefordert, Raum für Neues zu schaffen.

Doch Wandel bedeutet auch Zeiten der Unsicherheit, die es in der TSA-Geschichte immer wieder gab. Oft haben wir erlebt, wie Gott gerade in solchen Zeiten PUNKTgenau aus der Mitte des Kollegiums Einzelne dazu befähigt hat, neue geistgewirkte Perspektiven für die Zukunft zu entdecken und andere in diese Entwicklungen mit hineinzunehmen.

Als eine Person, die maßgeblichen Anteil an entscheidenden Innovationen hatte, möchte ich hier stellvertretend Wilhelm Faix nennen.

Er hat die Umstellung des TSA im Jahr 2000 zu einem kompetenzorientierten Unterricht nach dem „Bologna- System“ angestoßen und stark vorangetrieben. Ihm bleibt zudem die Ehre vorbehalten, wohl als einer der ersten Dozenten im evangelikalen Verbund theologischer Ausbildungsstätten überhaupt die Thematik von Familie in ihrer geistlichen Bedeutung für die Gemeindearbeit in das Curriculum eingebracht zu haben. Als Voraus- und oft auch Querdenker inspirierte er das Dozentenkollegium und prägte die Ausbildung in der Verbindung von Soziologie, Pädagogik und Theologie.

Inzwischen haben wir das TSA weiterentwickelt und besitzen ein detailliertes Modulhandbuch, in welchem jedes Fach ausführlich nach Inhalt und gewünschten Kompetenzen und Zielen beschrieben ist. Dies entspricht dem heutigen aktuellen Standard und ist vor allem dann hilfreich und wesentlich, wenn unseren Absolventen bei kirchlich-staatlichen und sonstigen Anstellungsträgern eine Dienstmöglichkeit anstreben, z. B. in der schulnahen Jugendarbeit. Auch zur Weiterbildung an den Hochschulen, etwa in Religionspädagogik und Sozialer Arbeit, bilden diese Modulbeschreibungen eine Grundlage für die Vergleichbarkeit und Anrechnung von Vorleistungen am TSA.

MEHR ALS BILDUNGSQUALITÄT

Bei allem Bemühen um die Qualität der Ausbildung für das heutige Berufsbild mit seinen vielfältigen Aufgaben ist uns als Dozenten sehr wohl bewusst, dass wir den Unterricht und die Praktika geistlich so gestalten müssen, dass die Absolventen später nicht nur mit dem Menschenmöglichen rechnen, sondern mit Gottes Eingreifen in menschenunmögliche Situationen in Gemeinde und Mission.

Hinzu kommt die engagierte und sprachfähige Verkündigung vom gekreuzigten Christus und seiner Auferstehung, die nicht nur bei Paulus zum KernPUNKT seines Glaubens zählt (1Kor 15,3-4), sondern nach wie vor auch für die theologische Ausbildung des TSA gilt.

Mitten in allen gegenwärtigen Debatten und (Um)deutungen des Kreuzes bleibt für den Lehrauftrag des TSA das Sühneopfer und das stellvertretende Leiden Christi für uns Menschen (Jes 53,3-6; Joh 1,29) ebenso maßgebend wie die werbende Lebensweise der Liebe Gottes in Wort und Tat.

ZIELPUNKT ERREICHT! KULTUSMINISTERIUM ERTEILT STAATLICHE ANERKENNUNG

Anfang März 2018 erteilte das Land Baden-Württemberg dem TSA die staatliche Anerkennung für zwei Ausbildungsebenen.

Die vierjährige Berufsausbildung setzt sich nun aus zwei staatlich und landeskirchlich anerkannten Abschlüssen zusammen: dem „einjährigen Berufskolleg für Gemeindepädagogik“ und der sich anschließenden „dreijährigen Fachschule für Gemeindepädagogik und Mission.“

... ist uns als Dozenten sehr wohl bewusst, dass wir den Unterricht und die Praktika geistlich so gestalten müssen, dass die Absolventen später nicht nur mit dem MENSCHENMÖGLICHEN rechnen, sondern mit Gottes Eingreifen in menschenunmögliche Situationen in Gemeinde und Mission.

Schema: 1 Jahr BK, dann 3 Jahre FS

Das einjährige Berufskolleg zeichnet eine Besonderheit aus: Die Konzeption 4 – 6 – 12. Das bedeutet: Die Bewerber müssen sich nicht sofort für mehrere Jahre zur Ausbildung entscheiden, sondern können flexible Einstiegslängen wählen. Auf diese Weise helfen wir den Studierenden, begleitet durch persönliches Mentoring, sich ihrer Berufung vor Gott bewusst zu werden. Darum steht nun das TSA unter dem Motto: „PUNKTgenau studieren.“

4 Monate die Bibel studieren, plus 2 Monate in der Praxis Jesus erleben und Gaben entdecken und 12 Monate an gemeinsamen Lebens- und Glaubensmodellen teilhaben. Für diejenigen, die sich zum Beruf als Gemeindepädagoge oder Jugendreferent berufen wissen, wird anstelle der Praxiseinheit gleich der griechische Intensivkurs mit unserem neuen Gastdozenten angeboten. Manuel Nägele (ehemaliger FSJ-ler, Universität Tübingen) kann die Studierenden für das Griechische und dessen Relevanz sensibilisieren.

Auch weitere Gastdozenten, wie etwa Sara Faix (Migration), Dr. Jean-Georges Gantenbein (Interkulturelle Theologie) und Dr. Wolfgang Schnabel (Dogmatik) sorgen durch ihren interaktiven Unterrichtsstil dafür, dass die Studierenden für ihre zukünftigen Aufgaben fit gemacht werden.

Wenn sich in diesem 1. Jahr die existenziellen Fragen geklärt haben, folgen 3 Jahre in der Fachschule. Der neue Studienaufbau kommt einer Generation kreativer und begeisterter, junger Erwachsener entgegen, die sich nicht so schnell festlegen will. Fraglos hat sich auch deshalb die Anzahl der Studierenden merklich erhöht.

„PUNKTgenau studieren“ gilt auch für die berufsbegleitende Weiterbildung all derer, die in der Gemeindeund Missionsarbeit stehen und ein praxisorientiertes Studienprogramm in Praktischer Theologie suchen, das individuelle Begleitung anbietet. Nach einem erfolgreichen Abschluss kann in das Hauptstudium mit Erstellung der Masterarbeit bei der University of South Africa im Fernstudium gewechselt werden.

Nach diesem Einblick in die Entwicklungen des TSA setze ich im Jubiläumsjahr einen DoppelPUNKT: Denn es geht weiter in die Zukunft im Vertrauen auf Gott und im Danken für alles, was er bisher geschenkt hat.