Ein richtig gutes Jahr

Das vergangene Jahr war gut – richtig gut. Im Herbst startete ein starker erster Jahrgang, die sechs neuen Studierenden sind klasse und alle vier Jahrgänge zusammen ein großer Segen. Schön für die Gemeinden und Werke, in denen sie zukünftig engagiert sein werden! Aber sechs sind nicht 15 - und für die haben wir schließlich gebetet. Wie kann das vergangene Jahr dann richtig gut gewesen sein? Von Dr. Jürgen Schulz. 

 

 

Wir haben für unser Werk Wünsche und Erwartungen. Wir wissen, dass Gott für uns einen Auftrag hat. Deswegen setzen wir uns Ziele. Und wir freuen uns, wenn wir sie erreichen. Manche Ziele können aber nicht in einem Jahr erreicht werden. Veränderung braucht Zeit. Veränderung geschieht Schritt für Schritt. Und wir haben im vergangenen Jahr viele kleine Schritte zurückgelegt. 

 

Auch eine Frage der Zeit

Einer dieser Schritte ist unser gemeinsames Jahresthema: „Das Gute reden.“ Das Thema begleitet uns auf dem Campus, weil es wichtig ist. Gott hat uns eine gute Nachricht verkündet. Wir verkündigen eine gute Nachricht. Gott fordert uns heraus, ein gutes Leben zu führen. Ein heiliges. Eines, dass ihn ehrt und das Gute für die Mitmenschen sucht. Als ich im Frühjahr 2023 meinen Dienst am TSA antrat, war die Atmosphäre angespannt. Auf der einen Seite Euphorie, auf der anderen Seite Unsicherheit und Angst. Beide Empfindungen kann ich gut nachvollziehen. Neue Stiftung, neuer Rektor. Wir brauchten Zeit, um als Vorstand mit einem realistischen Blick für die aktuelle Situation des Werkes schauen zu können. Mit der Zeit kehrte der Alltag ein. Ein guter Moment. Denn weder Euphorie noch Angst sind tragfähige Grundlagen für die Gestaltung der Zukunft. 

 

Gemeinschaft und Vielfalt

Wenn ich auf das vergangene Jahr zurückschaue, sehe ich unglaublich viele schöne Momente. Da drückt mir eine Schwester einen Strauß Tulpen für meine Frau in die Hand. Unsere Studis laden das ganze Haus zu gemeinsamen Lobpreiszeiten ein. Es wird gemeinsam gekocht. Gemeinsam gefeiert und auch getrauert. In diesen Wochen und Monaten wurde aber auch deutlich: wir machen uns das Leben gegenseitig schwer, weil wir an zu vielen Stellen nicht das Gute reden.  Als Gemeinschaft leben wir aus der Vielfalt. Wir sind alle unterschiedlich. Wir leben in ganz unterschiedlichen Rollen zusammen: Jahresteamler, Studierende, ein Dozententeam, ein Mitarbeiterteam in der Stiftung, die Geschwister der Kommunität. Das wollen wir wertschätzen. Die Wertschätzung und Anerkennung der Unterschiedlichkeit fallen aber nicht immer leicht. Wir ärgern uns übereinander. Sehen eher das, was nicht gut läuft. Persönliche Beziehungen sind belastet, so dass Ermutigung und Wertschätzung nicht mehr gehört wird.  

 

Den Alltag bestimmend

Wir haben das Jahresthema bewusst gewählt, weil wir eine Kurskorrektur brauchen. Als Gesamtwerk: TSA, Jahresteam, Mitarbeiter in der Stiftung und Kommunität. Wir wollen das Gute reden. Wir wollen uns für das Gute einsetzen. Wir haben das Thema als Vorstand gewählt, damit Gottes gute Gedanken wieder neu unseren Alltag bestimmen. Wir haben das Thema zum Inhalt unserer Andachten gemacht. Ganz praktisch sieht es so aus, dass wir in unseren Montagsandachten als Hausgemeinschaft verschiedene Texte aus der Bibel betrachten, die uns aufzeigen, was es bedeutet, dass Gute zu reden. Wir haben über Gottes Worte nachgedacht, durch die er sehr gute Dinge geschaffen hat (Gen 1). Wir haben über die Worte der Menschen nachgedacht, durch die sowohl Leben als auch Tod in die Welt kamen (Gen 3). Wir haben über mutmachende und korrigierende Worte gesprochen (Jesaja 40). Wir haben über staunende und kritisierende Worte gesprochen (Epheser 4).  

 

Nicht ohne Veränderung

Das Gute reden soll dann aber auch in Gutes tun umgesetzt werden. In unseren Mitarbeitertreffen beleuchten wir unsere Alltagsprozesse. Was läuft gut? Wo brauchen wir Veränderung? Als TSA durchlaufen wir ähnliche Prozesse. Wir sind als Dozenten- und Mitarbeiterteam im Gespräch, integrieren die Studierenden, hören auf ihre Impulse und setzen eigene. Veränderung gehört für uns zum Alltag dazu. Dinge, die gut laufen, wollen wir stärken. Abläufe, die nicht gut laufen, müssen offen angesprochen und verändert werden. Meistens sind es keine dramatischen Themen: Unklare Organisationsprozesse müssen geklärt werden. Aufgaben neu definiert und verteilt werden. Alltag eben. Schwierig wird es, wenn diese Themen aber aus Angst nicht angesprochen werden. In solchen Momenten erinnern wir uns gerne an die Haltung Jesu: Er selbst war „voller Gnade und Wahrheit.“ (Johannes 1,14) Wir brauche das offene Wort. Sachlich, zielorientiert, gütig und wertschätzend. Ehrlich gesagt: das gelingt uns nicht immer. Auch wir vergreifen uns im Ton. Das gilt es dann auch zu bekennen. Gott sei Dank für die gute Nachricht. Mit seiner Hilfe ist Umkehr und Vergebung möglich. Eine kurze Begegnung, eine Entschuldigung und es kann gut weitergehen.

 

Das Vorbild Jesu

Im Alltag gibt es aber nicht nur Erfolgsgeschichten. Nicht jeder Konflikt lässt sich lösen. Trotz Herzlichkeit und Offenheit. Manche Situationen sind schwierig und festgefahren. Manche Ansichten schlicht unvereinbar. Darum ist es uns so wichtig, das Gute zu reden. Wir wollen nicht, dass Frust und Wut prägen, was wir in solchen Momenten sagen. Wir wollen offen und herzlich miteinander umgehen. Auch wenn es um schwierige Themen geht. Wo es persönlich wird. Wo wir manches Mal lieber schweigen würden. Auch in solchen Momenten soll Jesu Vorbild uns leiten. Uns geht es um mehr als um gutes Studium, ein gutes FSJ oder gute Veranstaltungen. Wir wollen ein Studien- und Lebenshaus sein, in dem christliche Tugenden vorgelebt werden und eingeübt werden können. Wie ein Gewächshaus, in dem geistliche Tugenden wachsen und aufblühen. 

 

Wir laden unsere Studierenden und FSJler ein, Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Wir wollen ihre Perspektive kennenlernen. Ihr Engagement und ihre Leidenschaft für Jesus ist eine große Bereicherung für uns. Sie sind positiv kritische Mitdenker. Gott sei Dank! Eine kritische Masse, die wir für die Weiterentwicklung des TSA und des Gesamtwerkes brauchen. Und Schritt für Schritt gestalten wir so die Zukunft der Stiftung und des TSA. Jeder auf seine Art und im Rahmen seiner Rolle. Und trotzdem gemeinsam. Ja, ich bleib dabei: Das vergangene Jahr war gut – richtig gut! 

 

 

Dr. Jürgen Schulz, verheiratet mit Lydia und Vater von vier Kindern, ist seit Januar 2023 Rektor des Theologischen Seminars Adelshofen. Er hat eine tiefe Liebe zur Gemeinde, eine Leidenschaft für das Alte Testament und meint: geht nicht, gibts´nicht!